Rente oder Kapital? Gute Frage!
Gegen Ende des Berufslebens steht ein Entscheid an, der grosse Folgen hat: Soll ich mein Alterskapital oder eine Rente beziehen? Weil es dabei sehr viel zu beachten gibt, ist eine professionelle Beratung empfehlenswert.
Publiziert am 4. Juni 2024

Der Trend ist eindeutig: Immer mehr Menschen beziehen bei der Pensionierung ihr Alterskapital aus der zweiten Säule und verzichten auf die Rente. Über ein Drittel lässt sich das gesamte in der Pensionskasse angesparte Geld aufs Mal überweisen; etwa ein Fünftel setzt auf eine Mischform, bezieht also einen Teil des Alterskapitals und eine kleinere Rente. Vor zehn Jahren waren es noch halb so viele Menschen wie heute, die das Kapital beanspruchten. Ein Grund für den Anstieg ist, dass die Renten immer unattraktiver werden, weil die Umwandlungssätze sinken (siehe dazu die untenstehende Box).
Diese Entwicklung sorgt dafür, dass offenbar viele denken: «Ich fahre besser, wenn ich mein Geld selber anlege.» Es fällt allerdings auf, dass vor allem Menschen mit sehr grossem oder sehr kleinem Alterskapital dazu neigen, sich alles auszahlen zu lassen. Wer viel hat, ist auf keine Rente angewiesen; und wer wenig angespart hat, würde eine so kleine Rente erhalten, dass diese vernachlässigbar erscheint. Weniger eindeutig ist die Sache vor allem für jene, die einen durchschnittlichen Lohn verdient haben.
Der Frage «Rente oder Kapital?» die nötige Bedeutung beizumessen, ist sehr wichtig – für die meisten Menschen ist das Alterskapital nämlich der grösste Besitz, den sie haben, damit sollten sie sorgfältig umgehen. Keinesfalls vergessen sollte man auch, dass der Entscheid für Rente oder Kapital endgültig ist und nicht mehr rückgängig gemacht werden kann. Aus dem Bauch heraus sollte ein Entscheid von solcher Tragweite deshalb nicht gefällt werden.
Am besten beschäftigt man sich bereits einige Jahre vor der Pensionierung mit seiner finanziellen Zukunft. Erstens hat man dann noch Handlungsspielraum, zweitens gibt es Fristen zu beachten; viele Pensionskassen verlangen zum Beispiel, dass ein Kapitalbezug frühzeitig angemeldet wird.
Beginnen Sie doch damit, folgenden Fragen nachzugehen:
Wie viel Rente oder Kapital werde ich zugute haben?
Auf die Angaben, die der Pensionskassenausweis hinsichtlich künftiger Rentenleistungen oder des dereinst zur Verfügung stehenden Alterskapitals macht, können Sie sich nur bedingt verlassen – vieles kann anders kommen, zum Beispiel bezüglich Verzinsung. Rechnen Sie eher vorsichtig. Wenn Sie mit dem Gedanken spielen, einen Teil des Kapitals zu beziehen, sollten Sie sich bei der Pensionskasse erkundigen, wie viel Kapital überhaupt bezogen werden kann.
Wie viel Geld brauche ich nach der Pensionierung? Und wie gross ist mein Vermögen?
Es ist sinnvoll, ein Ruhestand-Budget zu erstellen: Wie viel Geld werden Sie voraussichtlich brauchen, um Ihren Alltag finanzieren zu können? Fragen Sie bei der Ausgleichskasse nach, wie hoch Ihre AHV-Rente sein wird. Vielleicht haben Sie nach der Pensionierung noch weitere Einkünfte. Welche Lücke bleibt? Diese muss geschlossen werden, entweder durch die Rente – oder durch Erträge aus angelegtem Vermögen bzw. durch Vermögensverzehr. Die Frage ist, wie gross Ihr Vermögen ist, das Sie anlegen und von dem Sie leben können, auch über das bezogene Alterskapital hinaus. Achtung: Beim Budgetieren dürfen die Steuern nicht vergessen gehen. Eine Rente muss als Einkommen versteuert werden, beim Kapitalbezug fällt eine einmalige, in vielen Kantonen recht happige Abgabe an.
Wie ist meine gesundheitliche und familiäre Situation?
Wenn schon die Grosseltern alle über 90 Jahre alt wurden und man selber auch mit einem langen Leben rechnet, ist es meistens klüger, die Rente zu beziehen. Sie wird unverändert bis ans Lebensende ausbezahlt. Ehepartner erhalten auch nach dem Ableben der versicherten Person eine Rente, üblich sind 60 Prozent der Altersrente. Allerdings: Vererben lässt sich ein allenfalls noch nicht verbrauchter Anteil des Alterskapitals nicht, wenn man auf die Rente setzt.
Was für ein Typ bin ich?
Wer eher auf Nummer sicher und keine Risiken eingehen will, sollte sich für die Rente entscheiden. Sie ist berechenbar, und man muss sich um nichts kümmern. Wer Geld anlegt, muss Kursschwankungen aushalten können; es ist möglich, dass das Vermögen vorübergehend schrumpft, dann sollte man nicht gleich nervös werden. Wer zum Beispiel 2021 in Pension ging und sein ganzes Alterskapital am Finanzmarkt anlegte, musste miterleben, wie die Börsen 2022 massiv tauchten. Trotzdem ist der Kapitalbezug für alle, die ein grosses Freiheitsbedürfnis haben und selber Entscheidungen über ihr Vermögen treffen wollen, vielleicht die bessere Wahl.
Vor- und Nachteile eines Renten- oder Kapitalbezugs
Rente |
Kapitalbezug |
---|---|
+ Sie trifft jeden Monat bis zum Lebensende ein. Wer lang lebt, erhält oft mehr, als er oder sie eingezahlt hat.
|
+ Sie haben Zugriff auf das gesamte Kapital. |
In vielen Fällen empfiehlt sich eine gemischte Lösung: Man bezieht einen Teil des Kapitals – und erhält dann immer noch eine kleinere, aber bis ans Lebensende sichere Rente. Viele Fachleute empfehlen, dass fixe Ausgaben mit fixen Einnahmen gedeckt werden sollten. Mit Ihren Renten von der AHV und aus der Pensionskasse sollten Sie also Ihren Alltag bestreiten können; für Ferien usw. dient Ihnen dann das Geld aus dem Kapitalbezug.
Sie sehen: Die Frage «Rente oder Kapital?» lässt sich nicht allgemein und schnell beantworten – sondern nur individuell und nach sorgfältiger Prüfung vieler Faktoren. Geht es um das Erarbeiten eines persönlichen Pensionsplans, arbeiten wir mit Weibel Hess & Partner zusammen. Die Urner Kantonalbank führt regelmässig die kostenlose Veranstaltung «Pensionsplanung – für unbeschwerte Glücksmomente» durch. Weitere Informationen finden Sie hier.
Der Umwandlungssatz
Beim Umwandlungssatz handelt es sich um einen festgelegten Prozentsatz, mit dem die jährliche Rente aufgrund des Alterskapitals berechnet wird. Bei einem Alterskapital von 100'000 Franken und einem Umwandlungssatz von 6,8 Prozent resultiert eine Jahresrente von 6800 Franken. Das individuell angesparte Alterskapital besteht in der Regel aus zwei Teilen: Es gibt den obligatorischen Teil gemäss dem Bundesgesetz über die berufliche Alters-, Hinterlassenen- und Invalidenvorsorge (BVG) – und den überobligatorischen Teil, dem zum Beispiel freiwillige Beiträge oder Lohnbeiträge oberhalb eines bestimmten Grenzwerts zugeschlagen werden. Mittlerweile gibt es Pensionskassen, die im Überobligatorium einen Umwandlungssatz von deutlich unter 5 Prozent anwenden. Die Folge: Wer eine halbe Million Alterskapital angespart hat und pensioniert wird, erhält heute im Durchschnitt monatlich etwa 500 Franken weniger als jemand, der 2010 in Rente ging.
Wie legt man sein Alterskapital an?
Alterskapital darf keinesfalls einfach auf dem Konto liegen, wo seine Kaufkraft nach und nach von der Inflation verringert wird, sondern muss klug angelegt werden. Zum Beispiel kann man zwei Töpfe bilden. In den ersten kommt jener Teil des Kapitals, der in den nächsten fünf bis acht Jahren benötigt wird. Dieses Geld wird sicher als Kontoguthaben, in Obligationen oder Festgeld angelegt. In den zweiten Topf kommt der Rest: Weil der Anlagehorizont länger ist und dieser die Risiken glättet, kann dieses Kapital renditeorientiert angelegt werden, also zu einem Teil auch in Aktien. Nach den ersten fünf bis acht Jahren wird das verbleibende Kapital wieder in zwei Töpfe aufgeteilt: Das Geld in Topf eins ist für die nächsten Jahre gedacht und wird sehr sicher angelegt, das Vermögen in Topf zwei für die spätere Phase soll Rendite abwerfen. Und so weiter.